Mittwoch, 13. Dezember 2006

Vom wahren Philosophen
Es war einmal ein Mann von kräftigem Körperbau und einem Bartwuchs, der ihm im Griechenland der Antike sicherlich zu einiger Hochachtung gereicht hätte. Zumindest jedoch wäre ihm sein Äußeres genug gewesen, als Doppelgänger des großen Sokrates seine Brötchen zu verdienen.
Nun verhielt es sich so, daß dieser Mann, gleich seinem Ebenbild, vor allen anderen die geistige Betätigung zu seinem Lebensinhalt wählte. Die schnöde Welt der Dinge konnte ihm nichts, aber auch gar nichts anhaben (es sei denn, sie trat ihm in Form einer Kartoffel oder anderer Spezereien gegenüber). Die Frau dieses Mannes ward eben deshalb dazu abgestellt, ihn zu versorgen mit Köstlichkeiten, die seinen Geist nähren sollten. Doch je mehr der Mann seinen Geist nährte, desto mehr geriet im die Welt der Dinge aus den Augen. So wuchs sein Bauch zu einer eigenen kleinen Welt heran, wie insgesamt sein Erscheinungsbild mehr und mehr dem zu widersprechen begann, was man heutzutage mitteleuropäische Hygienestandards nennt. Doch ihn kümmerte es nicht. Von einer Fahrradtour kehrte er eines Tages zurück mit einem, wie er meinte, neu gewachsenen Muttermal hinter dem Ohr. Nicht zu übersehen war dieser furunkelähnliche Auswuchs, doch erst drei Tage später, als es ihn gelüstete, mit seinem Weibe intim zu werden, stellte sie erschreckt und für immer geheilt vom Ohrläppchenknabbern fest, worum es sich wirklich bei dem vermeintlichen Muttermal handelte: Schafscheiße, aufgeschleudert durch die übermenschlichen Geschwindigkeiten, mit denen er vor drei Tagen über Wege pflügte, die sonst nur Tiere als Abort nutzten.
Da der Mann die Abgeschiedenheit liebte und von Gesellschaft insgesamt wenig hielt, erkannte er schnell die Vorteile aussetzender Waschrituale. Bis zu dem Tag, an dem er in den Spiegel blickte und sein blankes Haupt übersäht fand von hunderten kleinen Pusteln, die zudem noch unangenehm juckten. Würde er nun um eine Wäsche nicht umherkommen, damit möglicherweise gar wieder Kontakt zu anderen Menschen riskieren, die sich ob seiner olfaktorischen Absonderlichkeit doch gerade so schön aus seinem Leben zurückgezogen hatten? Nein, denn er wußte schnell Abhilfe zu schaffen. In einem medizinischen Buch, durchforstet nach Arzneien, die kleine rote juckende Pusteln verursacht durch vernachlässigte Körperhygiene zur Indikation hatten, fand der Mann ein Medikament, das ihn laut geschriebenem Wort von seinen Symptomen befreien sollte.
Und anstatt sich zu waschen, schluckte der Mann fortan morgens und abends eine dieser wundersamen Pastillen. So hatte er geschafft, was kein Philosoph vor ihm zu leisten in der Lage war: Die Welt der Dinge tangierte ihn gar nicht mehr, ganz von sich aus und aus freien Stücken.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Du schreibst aber nich vor dir, oder?

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